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Rede auf dem Kongress über Babyfenster.
Dominik Müggler während seiner Rede in der City Hall von Kumamoto am 15. April 2018.

Bericht vom ersten Weltkongress für Babyfenster in Japan

Am 14. und 15. April 2018 fand in der südjapanischen Grossstadt Kumamoto der erste Weltkongress für Babyfenster statt. Vertreter aus elf ausgewählten Ländern mit Babyfenstern nahmen daran teil und präsentierten ihre jeweilige Situation. Für die Schweiz referierte Dominik Müggler, Präsident der Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind (SHMK).

Nicht wenig gestaunt hat man bei der SHMK, als im Herbst 2017 ein Professor der Universität von Chiba (bei Tokyo) eine offizielle Einladung zu einem Vortrag über Babyfenster an einem Gesundheitskongress in Japan mitteilte. Am 14. Asiatischen Kongress für Gesundheitsförderung sollte für einmal das Thema «Baby-Boxes» (Babyfenster) in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Organisatoren luden dazu Referenten aus der ganzen Welt ein.

Die SHMK nahm diese Einladung mit Freude an. Sie betrachtete es als eine Chance, die eigenen Erfahrungen mit Babyfenstern auf einer internationalen Ebene einzubringen und auch von den Erfahrungen anderer profitieren zu können. Der Kongress wurde in der Folge ganz nach japanischer Gewohnheit bis ins kleinste Detail perfekt organisiert: Die Redezeit für jedes Land betrage 50 Minuten auf Englisch oder Japanisch, 30 Tage vor dem Anlass sollte das Referat schriftlich eingereicht werden, ebenso eine einseitige Zusammenfassung mit max. 3600 Zeichen, Schriftgrösse 10,5, und eine PowerPoint-Präsentation für die Grossleinwand. Sämtliche Reise- und Aufenthaltskosten seien offeriert.

Austausch von internationalem Wissen

Als es soweit war, reisten der Präsident, Dominik Müggler, mit seiner Frau Christa nach Japan. Das Referat wurde zum vollen Erfolg, sodass zahlreiche Japanerinnen und Japaner anschliessend zum Ausdruck brachten, sie hätten vom Schweizer Beitrag über Fragen der Qualität bei Babyfenstern am meisten profitieren können. Die Kongressleitung war von allen Präsentationen sehr angetan. Deshalb äusserte sie die Absicht, eine internationale Vereinigung aller Organisationen mit Babyfenstern zu gründen. So soll auch in Zukunft das Wissen über Babyfenster international ausgetauscht werden können.

In Kumamoto befindet sich nauch das einzige Babyfenster in Japan. Eröffnet vor 12 Jahren, befindet es sich an einer grossen, über hundertjährigen katholischen Privatklinik (Jikei-Hospital). Bisher hat es 130 Babys aufgenommen.

Eindrücklich war auch die Japanische Gastfreundschaft, die ihre Gäste sprichwörtlich verwöhnte: Einladungen in traditionelle Restaurants, Bereitstellung eines persönlichen Dolmetschers für jeden internationalen Teilnehmer während vier Tagen, Besuch von Sehenswürdigkeiten und Helikopterflug über den aktiven Vulkan Aso bei Kumamoto inbegriffen.

Präsentationen aus anderen Ländern

Südafrika

In Südafrika wurde bereits im Jahr 1999 eines der allerersten Babyfenster der Welt eröffnet. Es befindet sich in Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg. Das Babyfenster, «Door of Hope» genannt. Man baute es in die Grundstückmauer einer Missionsstation ein. Es hat in 20 Jahren über 1600 Babys aufgenommen.

Das erste Baby war das Mädchen Giorgina, völlig unterernährt und scheinbar geistig und körperlich behindert. Sie wurde in die USA zur Adoption gegeben. Im Jahr 2016 kehrte Giorgina als 17-jähriges Mädchen zu ihrem lebensrettenden «Door of Hope» zurück und absolvierte einen Freiwilligeneinsatz. Inzwischen hat sie – eine gesunde aufblühende Jugendliche – die Highschool mit Auszeichnung abgeschlossen und möchte ein Musikstudium beginnen.

Polen

Der leitende Mitarbeiter der polnischen Caritas-Organisation, Tomasz Kopytowski, stellte die 60 «Life Windows» in Polen vor, von welchen seine kirchliche Organisation 54 betreibt. In den vergangenen 11 Jahren hätten seine Babyfenster insgesamt 140 Babys entgegengenommen.

In Polen wird von gewissen politischen Kreisen immer wieder der Einwand vorgebracht, ins Babyfenster gelegte Babys könnten ihre leiblichen Eltern nicht kennenlernen. Doch weite Teile der Bevölkerung unterstützten die Babyfenster, weil diese tatsächlich Leben retten würden, was erste Priorität habe.

USA

Monica Kelsey aus Woodburn, Indiana, ist von Beruf Sanitäterin bei der Feuerwehr (Firefighters). Ihre Mutter gab sie in die Adoption. Als sie im Rahmen ihrer Arbeit im Jahr 2014 in einem Park ein ausgesetztes Baby tot auffand, beschäftigte sie das persönlich umso mehr. Auf einer Reise nach Südafrika traf sie in Kapstadt auf ein Babyfenster. Und sie beschloss, solche Einrichtungen in den USA zu eröffnen. Sie nannte sie «Safe Haven Baby Box» (dt. sicherer Hafen). Seit 2016 führt sie nun zwei solche Safe Havens. Beide sind an Stützpunkten der Feuerwehr installiert. Bisher wurde ein Baby abgegeben.

Südkorea

Pastor Lee Jong Rak von der evangelikalen Jusarang Community Church («Love of the Lord»-Kirchgemeinde) erhielt eines Nachts um 3 Uhr einen Anruf von einem Vater. Dieser hatte sein behindertes Kind vor die Kirchentür gelegt. Pastor Lee rannte aus dem Haus und fand das Baby in einem leeren Fischkarton. Es war umringt von mehreren streunenden Katzen, die vom Fischgeruch angezogen worden waren. Er nahm das Kind zu sich und überlegte, wie er das Leben solcher Babys besser schützen könne. Auf einer Reise nach Tschechien stiess er auf die dortigen Baby-Boxen. Im Jahr 2009 eröffnete er seine erste von bisher zwei eigenen Einrichtungen. Die Baby-Box war in Korea mit einem Schlag im ganzen Land bekannt. Während er im ersten Jahr vier Babys erhielt, waren es im zweiten 37 und im dritten 79.

Im Jahr 2013 trat eine völlig neue Situation ein. In Korea trat ein Gesetz in Kraft, wonach alle Babys nach der Geburt registriert werden mussten. Viele Koreanerinnen, die ihr Baby nicht registrieren lassen wollten, sahen nun als einzigen Ausweg die Abgabe ihres Babys in die Baby-Box. Bereits 2013 erhielt Pastor Lee 252 Babys! Diese Zahl blieb bis heute so hoch, dass er in neun Jahren 1405 Babys entgegennehmen konnte. Zahlreiche Babys weisen eine Behinderung auf oder haben das Downsyndrom. Für die schwersten Fälle unter ihnen organisierte er eigens ein Kinderheim. So sollten sie jene Liebe erhalten, die sie in staatlichen Kinderheimen nicht bekommen.

Schweiz

In der Schweiz gibt es derzeit acht Babyfenster. Sechs wurden von der SHMK eröffnet. Diese Babyfenster haben bis heute 21 Babys aufgenommen. Noch fehlen drei bis vier Babyfenster, um das ganze Projekt im vollen Umfang zu realisieren: in der Region Lausanne und Genf, in der Region St. Gallen und in der Zentralschweiz.

Im Unterschied zu Ländern wie Südafrika oder Südkorea besteht in der Schweiz eine ganz andere sozio-ökonomische Ausgangslage mit einem tragfähigen sozialen Netz. Aus diesem Grund sind hohe Zahlen von ausgesetzten Babys, wie in den genannten Ländern, bei uns nicht denkbar. Dennoch ist jedes einzelne Kind wert, dass alles unternommen wird, um eine Infrastruktur für seine Rettung bereitzustellen.

Die SHMK finanziert die Erstellung der Babyfenster und bezahlt in der Regel auch die Pflegeeltern in den ersten drei Monaten nach der Abgabe eines Babys. Dafür führt die SHMK eigens einen Babyfenster-Fonds. Dieser Fonds wies per 31. Dezember 2017 nur noch 13’000 Franken aus, was für die Fertigstellung des Projekts und den Unterhalt deutlich zu wenig ist. Deshalb bittet die SHMK ganz besonders um Spenden zugunsten des Babyfenster-Fonds zur Fertigstellung des Babyfenster-Projekts. Vielen herzlichen Dank!