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Ergänzung, nicht Alternative: die vertrauliche Geburt
Vertrauliche Geburt: wünschenswerte Ergänzung, aber keine Alternative zu den Babyfenstern. (panthermedia/lucidwaters)

Vertrauliche Geburt ist keine Alternative

Babyfenster sind in der Schweizer Bevölkerung breit akzeptiert. Bisweilen wird die vertrauliche Geburt als Alternative vorgeschlagen.

Die SHMK-Nachrichten haben mit Dominik Müggler, dem Initiator der Babyfenster in der Schweiz und Stiftungsratspräsidenten der SHMK, über dieses Thema gesprochen.

SHMK-Nachrichten: Der UN-Kinderrechtsausschuss hat sich 2015 in seinen Schlussbemerkungen zum 2., 3. und 4. Staatenbericht der Schweiz besorgt über die Zunahme an Babyfenstern gezeigt.

Dominik Müggler: Der UN-Kinderrechtsausschuss ist besorgt, dass die Babyfenster-Kinder ihre leiblichen Eltern nie kennenlernen könnten. Wir teilen diese Sorge ebenfalls. Nur sind wir der Überzeugung, dass die Kinder zuerst einmal die gefährliche Zeit nach der Geburt überleben müssen, bevor sie weitere Rechte geltend machen können. Deshalb ist das Recht auf Leben höher einzustufen.

Es stört den Ausschuss, dass in Babyfenstern Kinder anonym hinterlassen werden.

Die SHMK will mit den Babyfenstern Frauen, die in Gefahr sind, ihre Babys auszusetzen oder gar zu töten, eine Lösung anbieten, das Leben ihres Kindes zu schonen und es an einen sicheren Ort zu bringen, wo es medizinische Hilfe erhält.

Als Alternative nennt der Ausschuss die vertrauliche Geburt. Wie sehen Sie diese?

Die vertrauliche Geburt wird von uns ebenfalls unterstützt. Sie erfolgt unter medizinischer Betreuung. Die Identität der Frau wird mittels Pseudonym vertraulich behandelt. Das Kind verbleibt nach der Geburt im Spital und wird später zur Adoption freigegeben. Im Alter von 18 Jahren kann es die Identität der leiblichen Mutter erfahren.

Ist die vertrauliche Geburt eine Alternative zum Babyfenster?

Für Frauen, die nicht wollen, dass Schwangerschaft und Geburt je bekannt werden, ist die vertrauliche Geburt keine Lösung. Diese Frauen können nicht mit dem Gedanken leben, dass nach 18 Jahren ein Sohn oder eine Tochter an der Haustüre klingelt, von dem oder von der bis dahin niemand etwas wissen durfte. Überhaupt ist die Anonymität bei der vertraulichen Geburt nicht gewährleistet. Beim Spitaleintritt muss die Frau ihre Identität angeben, von der auch das Zivilstandsamt und die Krankenkasse erfahren. Auch besteht das Risiko, dass sie vom medizinischen Personal erkannt wird. Ferner muss die Mutter sechs Wochen nach der Geburt persönlich bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) erscheinen, um dort die Freigabe zur Adoption zu erklären. Nach weiteren sechs Wochen muss sie erneut dorthin und definitiv auf ihr Recht verzichten, die Freigabe zur Adoption zu widerrufen. Auch da gibt es ein Risiko, erkannt zu werden. Zudem wird sie bei der KESB bereits in einem gewissen Sinne «vorgemerkt». Für Frauen, die wollen, dass niemand etwas von der Geburt erfährt, und denen es völlig unmöglich erscheint, das Kind bei sich zu haben, gibt es zur Zeit als Lösung nur das Babyfenster.

Wie sieht es aus, wenn eine Frau ihr Kind ins Babyfenster legt?

Sie bleibt anonym, solange sie anonym bleiben will. Sie macht sich nicht strafbar. Es wird nicht nach ihr gefahndet. Sie entscheidet allein, ob und wann sie aus der Anonymität heraustreten will. Sie hat das Recht, mindestens 12 Monate lang ihr Kind zurückzufordern, während sie bei der vertraulichen Geburt schon nach 12 Wochen ihr «Recht auf das Kind» unwiderruflich abtreten muss.

Sind in der Schweiz weitere Babyfenster vorgesehen?

Es gibt Gespräche an Standorten, die unserem Konzept entsprechen. Keine Frau, die sich in einer subjektiv empfundenen extremen Notsituation sieht, soll mehr als 50 km weit reisen müssen, um zu einem Babyfenster zu gelangen. Daraus ergibt sich für die Schweiz einen Bedarf von mindestens 10 Babyfenstern.